Aus Milch wird Käse - Regina - 11.06.21
Auf dem Kinderbauernhof haben wir mit den Kindern auch zu Ernährung und Herstellung von Lebensmitteln Projekte gemacht. Käseherstellung war nicht das Beliebteste, wurde aber schon 2-3x im Monat nachgefragt. Aufgrund der kurzen Reifezeit haben wir meist Frischkäse oder Mozzarella gemacht, da konnten die Kinder ihr Produkt noch selbst kosten.
Aber auch Magermilchkäse wie Harzer oder Feta haben wir hergestellt, da brauchte man dann eine Gruppe im zeitlich passenden Abstand, damit man einen frischen Käse ins Lager schicken und den fertigen rausholen und aufschneiden konnte.
Ganz wichtig beim Käsen ist Sauberkeit. Wir haben mit medizinischer Maske gearbeitet und die Kinder 5 min mit Seife Hände schrubben lassen, beim Mozzarella abdrehen waren Gummihandschuhe Pflicht. Auch die Materialien müssen heiß geschrubbt werden, die Käsetücher sind Kochwäsche. Ein falscher Keim, und nach der Reifezeit von 2 Monaten beim Feta ist alles für die Tonne.
Was braucht man? Einen großen Topf. Ideal ist so ein Einkochtopf mit Thermostat, der eine eingestellte Temperatur für eine Stunde hält. Ansonsten muß man gut aufpassen und daneben stehen bleiben.
Außerdem eine Schöpfkelle, einen nicht rostenden Durchschlag, eine Käseform. Die kann man aus einer Plastikdose mit einer heißen Nadel selbst machen.
Käsetücher sind aus Halbleinen (Geschirrtücher mit grober Gewebestruktur) oder Fahnentuch.
Eine Käseharfe ist was für große Mengen, im Haushalt tuts auch ein langer Schaschlikspieß oder ein großes Messer.
Einen Eimer, der nur für Lebensmittel verwendet wird, braucht man nur für Feta.
Und natürlich Rohmilch, eventuell Lab und Käsereikulturen. Die kann man im Internet kaufen oder man kauft Milchprodukte, wo sie drin sind. Joghurt mit Lactobazillus thermophilus und Lactobazillus acidophilus zum Dicklegen, einen Harzer Käse für die Gelbschmiere, einen Romadur für die Rotschmiere. Je nachdem, was am Ende rauskommen soll.
Abgekochtes Wasser und Salz braucht man auch. Und jetzt geht es los.
RE: Aus Milch wird Käse - Regina - 11.06.21
Noch was Grundsätzliches zu Mengen:
Milch enthält sehr viel Wasser, das bei der Käseherstellung als Molke abgetrennt wird. Übrig bleibt je nach Eiweißgehalt 125 g Käsebruch, der durch Lagerungsverfahren weiter eingetrocknet wird. So bleiben von einem Liter Milch 125g Frischkäse oder Mozzarella übrig, aber nur 100g Feta oder Handkäse, 70 g Gouda und in der Königsklasse 25g Grana Padano anderthalb Jahr gereift. Das erklärt dann auch den Preis.
Frischkäse
Im Gegensatz zu Quark, der nur mit Lab dickgelegt wird, ist Frischkäse zusätzlich mit Bakterien angesäuert.
Die Milch wird also auf 72 Grad erhitzt, damit Listerien und Colibakterien keine Chance haben. Ist sie wieder auf 38 Grad abgekühlt, wird sie mit Lactobazillus thermophilus geimpft. Bei 35 Grad kommt Lactobazillus acidophilus dazu, jetzt muß die Masse die Temperatur halten, bis sie geliert ist. Das kann zwischen drei und vier Stunden dauern.
Dann wird der Käsebruch geschnitten. Dazu wird die Käseharfe, der Schaschlikspieß oder das Messer gitterförmig durch die Dickete geschnitten, damit an den Schnittkanten die Molke austreten kann. Je feiner man das Gitter schneidet, desto feiner wird später die Käsestruktur.
Jetzt wird die Masse unter Rühren wieder auf 50 Grad erhitzt, dadurch stirbt Acidophilus ab und der Käse säuert nicht weiter. Außerdem tritt noch mehr Molke aus.
Jetzt kommt das Käsetuch in die Käseform. Dann wird der Käsebruch hineingeschöpft, und durch die Löcher läuft die Molke ab.
Man kann die Molke ganz hervorragend trinken, gerne auch mit Fruchtsaft oder Sirup aromatisiert. Aber weil niemand die Molke von 40l Milch trinken kann, ist das auch ganz hervorragendes Schweine- oder Hühnerfutter.
Der Käsebruch kühlt im Tuch ab und kann nach einer halben Stunde verarbeitet werden. Für Frischkäse bekommt er Salz und geschmacksgebende Zutaten wie Pfeffer, Schnittlauch, Erdbeeren etc zugesetzt, ist die Struktur zu körnig, kann man ihn auch noch einmal durch ein Sieb streichen.
RE: Aus Milch wird Käse - Regina - 11.06.21
Molkenkäse
In den nordischen Ländern, wo Brennholz noch nie eine Rolle gespielt hat, energiereiche Nahrung hingegen schon, wird die Molke zu einer dicken Masse eingekocht. Das wird brauner oder roter Käse genannt und wird von der dortigen Bevölkerung sehr geschätzt. Weil in der Molke ein Großteil des Milchzuckers erhalten bleibt, entsteht die bräunliche Farbe durch Karamellisierung, und der Käse schmeckt süßlich und ist ziemlich klebrig.
Milchzuckerunverträgliche, die gewöhnt sind Käse zu vertragen, erleben eine böse Überraschung.
Ich habe es einmal versucht, braunen Käse zu kochen, aber der Energieaufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. In einer Gegend mit 5 Monaten Vegetationszeit ist das sicher anders, aber bei uns lohnt es sich nicht.
RE: Aus Milch wird Käse -
Melly - 11.06.21
Danke für Deine Mühe, Regina!
Ich gestehe, dass ich mir das einfacher vorgestellt habe. Da weiß man die Arbeit des Bauern, wo wir diese Produkte kaufen, noch einmal mehr wertzuschätzen.
Ich werde mir das bestimmt noch ein paarmal durchlesen, um dann zu entscheiden, ob ich das in Angriff nehmen möchte. Muss auch den Einkochautomaten mal inspizieren, ob der noch was taugt bezüglich Temperatureinstellung, der ist schon uralt.
Finde das Thema auf jeden Fall total interessant!
RE: Aus Milch wird Käse - Regina - 11.06.21
Mozzarella
Den mochten die Kinder am liebsten, weil man da schön matschen darf.
Der Anfang ist genau wie beim Frischkäse, bis es zum Käsebruchschneiden kommt. Der Bruch für den Mozzarella darf recht grob werden. Das anschließende Erhitzen fällt weg. Der Bruch steht etwa eine Stunde, dann wird er in eine große Schüssel geschöpft und mit 80 Grad heißem Wasser gebrüht. Nach 5 Minuten kann man das Wasser weggießen und die Masse, die jetzt die Konsistenz von weichem Hefeteig hat, kneten, ziehen und formen. Die traditionelle Handvoll ist nicht zwingend die Endform, man kann auch Fäden ziehen und Zöpfe flechten.
Am Ende kommen die Produkte in kaltes Salzwasser und dürfen 24 Stunden ziehen. Im verschlossenen Behälter halten sie sich 3-5 Tage im Kühlschrank.
Für fettarmen Mozzarella kann man die Milch über Nacht aufrahmen lassen und den Rahm abschöpfen. Den Rahm kann man dann zu Sahne schlagen oder Butter machen.
RE: Aus Milch wird Käse - Regina - 11.06.21
Butter
Läßt man nicht homogenisierte Milch stehen, setzt sich oben eine Fettschicht ab, die Milch " rahmt auf". Dieses Fett kann man vorsichtig abschöpfen und daraus Butter machen.
Es lohnt sich ab etwa 200ml Rahm, sonst bleibt zu viel Material im Geschirr hängen im Verhältnis zum Ergebnis. Man kann aber den Rahm von mehreren Tagen im Kühlschrank sammeln. Er säuert dann, aber das unterstützt den Buttergeschmack.
Hat man genug beisammen, muß man das Fett herausschlagen, das ist kräftezehrend. Es gibt mehrere Vorgehensweisen, so kann man zum Beispiel in einem hohen Krug mit dem Kartoffelstampfer stampfen oder den Rahm in einem dicht schließenden Becher schütteln. Zwei saubere Kieselsteine beschleunigen den Effekt.
Nicht gut funktioniert der Schneebesen der Küchenmaschine. Er schlägt zwar den Rahm zu Butter, verteilt aber die Butterflöckchen fein in der Buttermilch und verhindert so das Verklumpen.
Hat man endlich das Fett von der Buttermilch getrennt, wird es noch dreimal in frischem kaltem Wasser geknetet, die Butter wird "gewaschen". Ein wenig Salz erhöht die Haltbarkeit, ein hübscher Butterstempel tut auch noch was fürs Auge.
Die Buttermilch kann man gut für Hefeteig verwenden. Oder für alles andere, wozu man Buttermilch auch sonst verwendet.
RE: Aus Milch wird Käse -
Phloxe - 11.06.21
Regina, zum Buttern hatten wir zu Hause eine Butterleier. Aber nicht so'n antikes Ding, wie im Netz zu sehen ist.
Unser Teil war aus silberglänzendem Metall. Sehr schwer. Die Form wie eine sehr große und oben geschlossene 'Frankfurter-Kranz-Form' ... an dem 'Kamin' waren Rührarme befestig. Es wurde am Küchentisch angeschraubt.
Seitlich hatte es eine Kurbel ... und deren Bewegen war anstrengende Handarbeit.
Da passten einige Liter rein.
'Heraus' kam jedenfalls Butter für unsere große Familie plus Kunden ... die Mieterfamilie und einen Nachbarn.
Verziert wurde bei uns nix ... aber durch Hochwerfen (nicht doll
) entstand sowas wie ein Quader mit gleichen Seiten und Enden.
Ich kenne auch das Abschöpfen der Milch für die sonntägliche Schlagsahne ... samt dem lustigen Rädchen aus Metall, das zu deren Schlagen nötig war.
So'n Ding habe ich später sogar mal für die Kinderküche gefunden. Das war ein Renner.
Ich habe das als Kind 'in echt' auch gerne gemacht.
RE: Aus Milch wird Käse -
merlincurry - 16.06.21
Vielen Dank für diese sehr anschauliche Anleitung....Käse, keiner denkst an den Aufwand, der hinter der Käsestulle steckt !
Butter habe ich dieses Jahr auch probiert, war eigentlich Zufall...
Ein Geschäft gab abgelaufene Tetrapacks Sahne für uns Hühnerhalter ab. Mir war das zu schade und als Schlagsahne für meine Hüften nicht geeignet....
Ich hatte gerade ein Video gesehen, wo eine ältere Dame ihrer Tochter das Buttermachen zeigte, ganz einfach...
Da wurde die Sahne mit dem Mixer einfach solange geschlagen, bis Butter entstand...Dann durchs Sieb und im eiskalten Wasser gewaschen.
Hab es probiert, ging sehr gut , und lecker Süßrahmbutter!
RE: Aus Milch wird Käse -
Brumsummsel - 24.06.21
@Regina vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen. Es ist schon sehr aufwendig. Da lernt man das Endprodukt gleich mehr zu schätzen wenn man den Herstellungsprozess kennt.
Hätte noch eine Frage zu folgender Aussage
....Fett von der Buttermilch getrennt, wird es noch dreimal in frischem kaltem Wasser geknetet, die Butter wird "gewaschen"....
Warum macht man das "waschen"? Was wird da raus gewaschen?
RE: Aus Milch wird Käse - Regina - 28.06.21
Beim Waschen der Butter werden Eiweißreste herausgewaschen. Bleiben diese drin, verkäsen sie und die Butter schmeckt nach altem Käse.
Selten ißt man die Butter innerhalb von 2-3 Tagen auf, deshalb wird die Butter eben gewaschen.